Bikemarathon Willingen: Langer Atem und eine Schraube locker…
Willingen. Das stand für mein erstes richtig langes Rennen in dieser Saison. 123 Kilometer mit 3600 Höhenmetern, ideale Witterungsbedingungen beim Start um 0730. Das waren die Rahmendaten.
05.20 der Wecker klingelt unverschämt früh, obligatorisches Rennfrühstück mit Honigbrot und Kakao und rein in den Startblock. Die Startliste las sich mit Huber, Lakata, Platt, Sahm, Dietsch, und so
weiter, wie das „who is who“ der Mountainbikeprofis.
Leider mußte ich mal wieder im 2ten Startblock starten was mir einige graue Haare wachsen ließ, da der erste Anstieg gleich 200m nach dem Start wartete. So mußte ich mir mal wieder kommandoartig den Weg nach vorne bahnen, was einiges an Kraft und Nerven kostete. Nichts desto trotz ließ ich mich nicht entmutigen, schließlich wird das Rennen nicht auf den ersten 5 Kilometern entschieden. Außerdem konnte ich wohl kaum damit rechnen, mit den europäischen Spitzenfahrern locker durch die Gegend zu fahren. So knallte ich den ersten Anstieg hoch und befand mich wohl etwa an 50. Position. Ich überzog nicht und wähnte  in guter Gesellschaft. Andi Strobel vom Vaude Simplon Team fuhr von hinten auf und fuhr an den Anstiegen ein für mich optimales Tempo. So wurden nach und nach Positionen nach vorne gut gemacht, unter anderem sammelten wir überraschenderweise Stefan Sahm auf seinem 29 Zoll Bike ein. Unbeeindruckt wurde die Fahrt fortgesetzt, die erste von 3 Schleifen fuhr ich mit den Herren Strobel und Kubis zu Ende. Die zweite Schleife wartete so gleich mit einem längeren Anstieg zu Beginn, so dass das Feld neu gemischt wurde. Im  Augenwinkel hatte ich noch einen Blick auf die Führungsgruppe erhascht: Etwa 10 Mann machten da vorne mächtig Tempo. An ein Aufschließen war also nicht zu denken. Die zweite Schleife verlief recht gleichmäßig gut. Irgendwann kam von hinten der Hollandexpress mit Olympiasieger und Ex-Weltmeister Bart Brentjens angefahren. Der fuhr ein ordentliches Tempo so dass ich mich der kleinen Gruppe anschloss. Nach etwa 10 Minuten ging es dann in einen längeren Anstieg. Ich fühlte mich verhältnismäßig gut und konnte etwas an Geschwindigkeit drauflegen. Kurze Zeit später war die Gruppe aufgelöst, nur noch Brentjens war an meinem Hinterrad. Das war schon ein etwas seltsames Gefühl. Dem habe ich noch vor ein paar Jahren beim XC in Albstadt staunend hinterher geglotzt. Und heute hing er bei mir am Hinterrad…
Zugegebenermaßen ist er ja schon etwas in die Jahre gekommen. Aber schnell fahren kann er offensichtlich immer noch. Nach einer Weile schlossen wir auf noch einen Holländer vom Team Rabobank auf. In dieser 3er Gruppe wurde die zweite Schleife dann auch zu Ende gefahren. Brentjens bog ab und beendete das Rennen, ich und der Rabobank Kollege bogen in die dritte und letzte Schleife ein.
Die 4. Stunde im Sattel war mittlerweile angebrochen, der Tacho zeigte etwas 100 Kilometer an. Ein Zuschauer gab mir zu verstehen dass ich 16 Minuten Rückstand hätte und auf Position 12 lag.
Mein rechtes Pedal fühlte sich zunehmend „anders“ an. Das Cleat, also das Teil mit dem der Schuh mit dem Pedal verbunden ist, lockerte sich und ich hatte immer mehr Spiel. Sofort erinnerte ich mich an das UCI Rennen in Frammersbach letztes Jahr bei dem ich gegen Ende des Rennens wegen einem technischen Defekt aufgeben musste. Da ich kein Werkzeug dabei hatte hoffte ich darauf dass es wenigstens noch die letzten 20 Kilometer halten würde. Naja, wie es das Schicksal so will, war dies leider nicht der Fall. Ich merkte wie es immer lockerer wurde. Ich versuchte möglichst wenig Zug aufs Pedal zu bringen. Zugegebenermaßen machte mich das nicht besonders schnell. In einem sehr matschigen Wurzeltrail war es dann soweit: Ich musste aus dem Pedal gehen. Zumindest wollte ich es. Weil das Cleat mittlerweile so locker war konnte ich nicht mehr ausklicken und fiel zwangsläufig mitsamt dem Rad in den Dreck. In dem Moment sah ich noch wie sich eine Schraube mit mir in den Matsch legte. Irgendwie schaffte ich es dann den Schuh aus dem Pedal zu wurschteln, die Schraube ins Trikot zu stecken und weiter über den Trail zu stolpern. In dem Moment sah ich mich schon am Streckenrand sitzen. Jedoch gab ich nicht auf, schließlich hatte ich ja immerhin noch ein funktionierendes Pedal. Ich fragte jeden Streckenposten nach Werkzeug. Leider ohne Erfolg. In einem Trailabschnitt war ein Holzarbeiter am Werk. Den Blick hättet ihr mal sehen müssen. Im Vorbeifahren fragte ich nach einem „INNENSECHSKANTSCHLÜÜÜSSEEEEEL!?“ Betretenes Schweigen und gefühlte 2 Minuten später: „Äääh, nee hab ich nicht!“. Wer soll’s ihm verdenken hab ich mir gedacht und bretterte quasi einbeinig weiter. Anscheinend war ich gar nicht so langsam unterwegs an der letzten Verpflegungsstation holte ich den holländischen Rabobank Mitstreiter wieder ein. Der war so nett und gab mir sein Miniwerkzeug. Mit vollem Mund gab er mir zu erklären er habe zu wenig gegessen. Aha, das war also die Erklärung warum ich ihn wieder einholte. Im nächsten Anstieg hielt ich also an und versuchte zu retten was noch zu retten ist. Schuh aus, Werkzeug gezückt und los geht’s. Mit dem ganzen Dreck gar kein leichtes Unterfangen! Nach etwa 3 Minuten war das Werk vollbracht: Das Cleat war wieder fest und ich konnte normal weiterfahren! Der Abstand nach hinten war wohl sehr komfortabel, in den 3 Minuten am Streckenrand überholte mich niemand. Nach etwa 10 Minuten hatte ich den holländischen Werkzeugverleiher wieder in Sichtweite. Beim Vorbeifahren bedankte ich mich artig und steckte ihm das Werkzeug wieder in seine Trikottasche. Die restlichen Kilometer liefen dann noch wie im Film ab: Konstant Leistung auf die Kette und die sich andeutenden Krämpfe gekonnt ignorieren! Schließlich fuhr ich als 11. über die Ziellinie am Festivalgelände ein. Nach 5:19 h hielt für mich die Uhr an. Damit war ich sehr zufrieden, zumal ich längere Zeit nicht damit rechnete überhaupt ins Ziel zu kommen. Das Rennen hat gezeigt, dass ich auch für die längeren Rennen gewappnet bin. Mir fehlt hinten raus vielleicht noch ein bisschen Geschwindigkeit, aber die Richtung scheint zu stimmen. Für die kommenden Wochen bin ich jedenfalls recht zuversichtlich.

Ergebnisse unter: http://services.datasport.com/2010/mtb/willingen/marathon/RANG123.HTM

Die  lieben Teamkollegen Arnd Meschke und Norman Carl landeten auf Rang 16 und 24.